Future Leadership: Ethik ist ein Business Case!

Leadership

Ethische Führung ist nicht nur eine Frage der persönlichen Haltung, sondern ein Business Case, deshalb reichen gute Vorsätze allein nicht aus, um sicherzustellen, dass in heiklen Situationen das Richtige getan wird. In Zeiten multipler Krisen ist ein proaktives Risikomanagement unerlässlich, um nicht ins Hintertreffen zu geraten. Eine effektive Corporate Governance, deren integraler Bestandteil eine auf Ethik und Integrität basierende Unternehmenskultur ist, stellt dabei ein Schlüsselelement dar. Diese Kultur wird maßgeblich durch den „Tone from the Top“ geprägt, also das glaubwürdige Verhalten von Aufsichtsräten und Vorständen, geprägt. Es ist unabdingbar, dass sich Aufsichtsräte und Vorstände aktiv mit dem Thema auseinandersetzen – eine Delegation an Compliance- oder Kommunikationsabteilungen greift zu kurz. Aufsichtsräte und Vorstände sind gefordert, ethische Ziele zu definieren und kritisch zu hinterfragen, wie unpolitisch sie heute noch sein können.

Was genau bedeutet Ethik in der Führung?

Es geht nicht darum, fehlerfrei zu sein oder moralische Überlegenheit zu demonstrieren. Vielmehr kommt es darauf an, sich in Führung und Entscheidungsfindung an Prinzipien und Werten zu orientieren, die von der Mehrheit einer Gesellschaft als Grundlage des Gemeinwohls anerkannt werden. Dazu gehören insbesondere

Integrität als Basis für Vertrauen
Ehrlichkeit in der Kommunikation und das Einhalten von Versprechen
Fairness gegenüber allen Stakeholdern und Gleichbehandlung aller Mitarbeiter:innen
Transparenz in Entscheidungsprozessen und Offenlegung relevanter Informationen
Respekt und Achtung vor den Rechten, Kulturen und der Würde aller.

Diese Prinzipien müssen gelebte Realität werden, nicht nur gut gemeinte Absichten. Oft, vielleicht zu oft, bleiben Moral und Ethik im Spannungsverhältnis zwischen Absicht und Umsetzung auf der Strecke. Zweifellos ist es nicht immer einfach, im Geschäftsalltag für ethische Werte konkret einzustehen und sie als Handlungsmaxime durchzusetzen. Es erfordert Haltung, Klarheit und Mut, Moral und Ethik in Entscheidungssituationen fest zu verankern und auch in schwierigen Situationen eine ausgewogene Güterabwägung vorzunehmen.

Welche Erwartungshaltungen gibt es an ethische Leadership?

In einer Welt, in der die Transparenz und Vernetzung stetig zunehmen und neue Erwartungen an ethische Führung formuliert werden, wird ethisches Leadership für den nachhaltigen Unternehmenserfolg immer wichtiger. Die Erwartungen an ethische Führung haben sich hierbei rasant erhöht – von Aufsichtsbehörden, Investoren, Mitarbeitern, Kunden bis hin zur Gesellschaft insgesamt:

Aufsichtsbehörden: Ethische Führung hilft Aufsichtsräten und Vorständen, regulatorische Standards zu übertreffen und so durch ihre Vorbildfunktion für die Organisation dazu beizutragen, das Risiko von Verstößen und Strafzahlungen erheblich zu minimieren. Darüber hinaus ist das in den letzten Jahren zunehmend strengere regulatorische Umfeld in Bezug auf Transparenz, Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung von Unternehmen ein deutliches Zeichen für die Bedeutung, die Aufsichtsbehörden ethischer Führung beimessen.

Investoren: Während einzelne Investoren wie z.B. Warren Buffet schon immer fest an den Wert ethischer Unternehmensführung geglaubt haben, rückt die ethische Unternehmensführung im Rahmen des G (Governance) von ESG zunehmend in den Fokus globaler Investoren. Für die erfolgreiche Umsetzung von ESG-Maßnahmen haben Investoren weltweit erkannt, dass die Vorbildwirkung einer ethischen Unternehmensführung in Aufsichtsrat und Vorstand einer der entscheidenden Faktoren für die Erreichung von ESG-Zielen ist. Zunehmend wird das Thema ethische Unternehmensführung auch in ESG-Ratings berücksichtigt. Die Investitionsattraktivität wird daher immer stärker von einer glaubhaften ethischen Führung der Spitzenmanager:innen beeinflusst.

Mitarbeiter: Die meisten Studien kommen zu dem Schluss, dass ethische Führung einer der wichtigsten Faktoren für die Verbesserung der Mitarbeiterzufriedenheit, der Mitarbeiterbindung und der Produktivität ist. Untersuchungen zeigen, dass insbesondere die jüngere Generation sehr klare Vorstellungen von der sozialen Verantwortung des Arbeitgebers hat und den Purpose eines Unternehmens weiter fasst, als dies in der Vergangenheit der Fall war. Ehrlichkeit, Fairness und Transparenz werden heute vorausgesetzt, gleichzeitig reagieren Mitarbeiter sehr sensibel auf unauthentische Kommunikation. In einem Arbeitsmarkt, der immer mehr Wert auf Unternehmenswerte und -kultur legt, wird glaubwürdige ethische Führung immer wichtiger, um Talente anzuziehen und zu halten.

Kunden: Für Lieferanten und Dienstleister werden ESG-Ratings und ethische Unternehmensführung immer wichtiger. Aber auch das Konsumentenverhalten hat sich verändert: Während die Bedeutung von Marken für die Kaufentscheidung weiter zunimmt, reagieren Verbraucher zunehmend sensibler, wenn Unternehmen gegen ethische oder moralische Grundsätze verstoßen.

Öffentlichkeit: Die Reputation ist heute einer der wichtigsten Werte für Führungskräfte und Unternehmen. Eine über Jahre aufgebaute Reputation einer Führungspersönlichkeit oder eines Unternehmens kann heute durch Fehlverhalten – insbesondere im ethisch-moralischen Bereich – innerhalb kürzester Zeit zerstört werden. Dies gilt umso mehr als die Transparenz und die Geschwindigkeit, mit der sich Informationen verbreiten, ständig zunehmen. Umgekehrt können Spitzenmanager:innen und Unternehmen ihre Reputation verbessern, wenn sie ethische und moralische Werte berücksichtigen.

Warum Ethik ein Business Case ist!

Ethische Führung und eine darauf basierende Unternehmenskultur fördern eine Atmosphäre der Offenheit, in der Herausforderungen und unterschiedliche Ansichten frei diskutiert werden können. Dies führt nicht nur zu einer effektiveren Governance, sondern auch zu konkreten wirtschaftlichen Vorteilen. Nicht alle Studien kommen zu einem eindeutig positiven Zusammenhang, es überwiegen jedoch die positiven Befunde, die insbesondere Business Cases in Kosten- und Risikoreduktion, der verbesserten Reputationsentwicklung und dem Erlangen von Wettbewerbsvorteilen auf ethische Führung zurückführen1. Folgende konkrete sogenannte Win-Win-Win Ergebnisse können durch die Berücksichtigung der Triple Buttom Line (ökonomische, ökologische und soziale Kriterien) erzielt werden2:

  • Kosteneinsparungen durch den effizienteren Umgang mit Ressourcen
  • Vermeidung von Risiken und Rechtsprozessen, durch ein verantwortliches und gesetzeskonformes Verhalten
  • Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, durch eine erhöhte Kundenloyalität infolge eines fairen Umgangs mit den Kunden
  • Neue Kundengruppen und eine höhere Akzeptanz in der Öffentlichkeit, durch die Steigerung der Bekanntheit und Reputation
  • Bessere Einflussmöglichkeiten auf die Öffentlichkeit und Politik, nach dem Prinzip “wie Du mir so ich Dir”
  • Geringere Risiken und geringere Strafzahlungen, aufgrund von Verfehlungen und Missständen
  • Steigerung der Attraktivität des Unternehmens als Arbeitgeber durch die Förderung von Chancengleichheit und Diversität

Wie gelingt die Etablierung eines ethischen Managements?

Beim ethischen Management geht es nicht darum frei von Fehlern zu sein, dies wäre auch überhaupt nicht möglich, sondern proaktiven Maßnahmen zur Risikominimierung, effektivem Umgang mit Verfehlungen und kontinuierlicher Reflexion und Verbesserung.

Proaktiven Maßnahmen zur Risikominimierung: Etablierung einer Unternehmenskultur, die sich auf Ethik und Moral begründet, die Ausgestaltung von Compliance Regelen, Prozessen und Systemen.

Effektiver Umgang mit Verfehlungen: Aufbau von Ansprechpartnern den internen Mitarbeitern und externen Stakeholdern die Möglichkeit geben Missstände vertraulich melden. Klare Kompetenzen und Prozesse, damit die Ansprechpartner das Thema adressieren, aufklären und den Missstand beheben können.

Reflexion und Verbesserung: Eine kontinuierliche Reflexion, die zum Ziel hat, dass Missstände nicht nochmal passieren können und die Wahrscheinlichkeit von Missständen insgesamt reduziert

Ethisches Management und eine auf Ethik und Haltung basierende Unternehmenskultur lassen sich nicht übertragen oder delegieren. Beides entsteht im Wesentlichen durch den “Tone from the Top”, denn ethische Führung ist vor allem eine Frage der Vorbildfunktion.

Um ethische Ziele besser zu erreichen und die Lücke zwischen Anspruch und Handeln zu schließen, hat sich die Wenn-Dann-Planung als Ansatzpunkt bewährt. Die Grundidee besteht darin, im Voraus zu planen, was zu tun ist, wenn eine bestimmte Situation eintritt, nach dem Schema: „Wenn die Situation X eintritt, werde ich die Handlung Y ausführen“. Durch die Verknüpfung spezifischer Anlässe oder Auslöser mit konkreten Verhaltensweisen wird eine Brücke zwischen Absicht und Handlung geschlagen. Unsere Erfahrung zeigt, dass die Anwendung dieser Methode die Reaktionsfähigkeit in Krisensituationen verbessert und die Umsetzungswahrscheinlichkeit im Alltag deutlich erhöht.

Nach unserer Erfahrung kommt es immer wieder vor, dass die zugrunde liegenden Daten, Zahlen und Fakten nicht mit der Kommunikation übereinstimmen. Dies führt häufig zu Untersuchungen und Strafzahlungen, beschädigt die Unternehmenskultur nachhaltig und wirkt sich durch den Reputationsverlust auf das operative Geschäft aus. Insgesamt stellt sich immer die Frage der Glaubwürdigkeit und Kredibilität, weshalb Aufsichtsräte kritisch hinterfragen sollten, wie die Kommunikation zu diesem Thema aufgestellt ist. Ob die gemeinsam erarbeiteten Positionen zu Menschenrechten, Diversität, Demokratie etc. auch im Unternehmen gelebt werden und ob die Kommunikation zu diesen Themen glaubwürdig ist? Gerade bei den Themen Nachhaltigkeit und Diversität erleben wir häufig, dass die Zahlen nicht mit der Kommunikation übereinstimmen. Es stellt sich also die Frage, kann ich glaubwürdig für Nachhaltigkeit und Gleichberechtigung stehen, ohne dass die Zahlen stimmen, oder verliere ich hier nicht an Glaubwürdigkeit und beschädige damit nachhaltig eine auf Ethik und Haltung basierende Unternehmenskultur? Das heißt nicht, dass eine Positionierung grundsätzlich zu vermeiden ist. Das Gegenteil ist der Fall. Denn ohne Positionierung an der Unternehmensspitze kann keine ethische Führung sichtbar werden und damit auch keine entsprechende Unternehmenskultur entstehen.

Können wir es uns noch leisten, „unpolitisch“ zu sein?

Ist es in einer Zeit, in der gesellschaftliche und politische Themen zunehmend Unternehmensentscheidungen beeinflussen, überhaupt noch möglich, „unpolitisch“ zu sein? Ist der Verzicht auf eine Positionierung nicht auch eine Positionierung? Es geht nicht darum, dass sich Vorstände zu jedem Thema äußern und positionieren müssen, sondern es geht darum, dass wir uns die Frage stellen müssen, wie unpolitisch Top-Manager:innen aus der Wirtschaft heute noch sein können? Müssen Aufsichtsräte und Vorstände nicht eine klare Haltung zum Thema Menschenrechte entwickeln, sich unmissverständlich zur Demokratie bekennen, sich politisch zu Wort melden, wenn Populismus und Rechtsextremismus auf dem Vormarsch sind? Gerade vor dem Hintergrund, dass politische Entwicklungen wie das Erstarken von Populisten enorme negative wirtschaftliche Auswirkungen haben3, müssen diese Fragen im Aufsichtsrat und Vorstand kritisch diskutiert werden. Aufsichtsräte sind gut beraten, die Frage „Wie unpolitisch kann ein Unternehmen heute noch sein?“ immer wieder kritisch zu hinterfragen und regelmäßig mit dem Vorstand zu diskutieren.

Unserer Erfahrung nach sollte es bei einer Positionierung nicht ausschließlich um Geschwindigkeit gehen, sondern um die Belastbarkeit der Positionierung. Wir empfehlen daher Aufsichtsräten und Vorständen, ihre Positionierung zunächst mit den wichtigsten Stakeholdern zu diskutieren und abzustimmen. Dadurch erhält die Positionierung mehr Gewicht, da sie von mehreren Stakeholdern getragen wird und auch bei Gegenwind leichter durchzuhalten ist. Im Idealfall setzen sich Aufsichtsräte und Vorstände proaktiv mit dem Thema auseinander und führen einen strategischen Dialog mit Stakeholdern, um zu klären, zu welchen Themen ihre Stakeholder eine Positionierung erwarten. Durch diesen strategisch proaktiven Dialog sind Aufsichtsräte und Vorstände besser vorbereitet und können Handlungsalternativen von vornherein besser abwägen.

Autoren

1Elizabeth C. Kurucz; Barry A. Colbert; David Wheeler: The business case for corporate social responsibility 2008; Oxford University: The Oxford handbook of corporate social responsibility
2Thomas Krickhahn: Reflexionen zur Theorie und Praxis von CSR, 2014; Nomos: Verantwortliches Wirtschaften
3Funke, Manuel, Moritz Schularick, and Christoph Trebesch. 2023. „Populist Leaders and the Economy.“ American Economic Review, 113 (12)

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