Ist Ihr Board ein Katalysator für Resilienz?

Die Krise der Credit Suisse verdeutlicht, wie mangelnde Board-Resilienz aus einer schwierigen Lage eine existenzielle Bedrohung werden lässt. Die einst als stabil geltende Bank verlor zwischen 2021 und 2023 rasant das Vertrauen von Investoren, Kunden und Regulierungsbehörden. Defizite in Struktur, Kultur, Entscheidungsprozessen und Zusammensetzung des Boards verhinderten eine effektive Reaktion. Die Folge: Nach 167 Jahren Unabhängigkeit musste die Bank notfallmäßig von der UBS übernommen werden. Während das Board der Credit Suisse über Jahre hinweg Krisensignale ignorierte, zeigte Johnson & Johnson in der Tylenol-Krise 1982, wie ein resilient agierendes Board eine existenzielle Bedrohung nicht nur bewältigen, sondern sogar in eine Chance verwandeln kann.

Als manipulierte Tylenol-Kapseln mit Cyanid mehrere Todesfälle verursachten, drohte dem Unternehmen ein massiver Vertrauensverlust. Doch Board und Senior Management handelten entschlossen: Ein kompletter Produktrückruf, transparente Kommunikation und die Einführung manipulationssicherer Verpackungen setzten neue Standards für Krisenbewältigung und Verbrauchersicherheit. Innerhalb eines Jahres gewann Tylenol seinen Marktanteil zurück – ein Erfolg, der ohne ein vorausschauendes und handlungsfähiges Board kaum möglich gewesen wäre.

Resilienz bedeutet, in Krisen schnell und mutig zu handeln – mit langfristiger Perspektive. Der Vergleich zwischen Credit Suisse und Johnson & Johnson zeigt: Resilienz entscheidet, ob ein Board in Krisenzeiten handlungsfähig bleibt oder selbst zum Risiko für das Unternehmen wird. Leistungsstarke Boards antizipieren Risiken, treffen schnelle, durchdachte Entscheidungen und kommunizieren klar – essenzielle Faktoren für eine stabile Zukunft. Studien zeigen, dass Unternehmen mit resilienten Boards auch in unsicheren Zeiten Wettbewerbsvorteile erzielen. Die Effektivität eines Boards bemisst sich dabei nicht nur an seiner Governance in ruhigen Phasen, sondern vor allem an seiner Fähigkeit, unter Druck exzellente Entscheidungen zu treffen.

Die Credit Suisse ist jedoch kein Einzelfall. Eine aktuelle Umfrage unter Board-Mitgliedern großer börsennotierter Unternehmen in den USA und Europa zeigt, dass viele Boards mit ähnlichen Herausforderungen kämpfen: 63 % der Befragten fühlen sich nicht ausreichend auf Krisensituationen vorbereitet. 76 % der Vorstände und 85 % der Aufsichtsräte sehen eine bessere Krisenprävention als zentrale Priorität für die nächsten 24 Monate.

Besonders häufig nannten die Befragten folgende Defizite:

  • Board Excellence: 74 % kritisieren Mängel in Struktur, Kultur oder Entscheidungsprozessen.
  • Board Development: 69 % verzichten auf effektive Krisensimulationen.
  • Board Evaluation: 81 % sehen Verbesserungsbedarf bei der Leistungsbewertung.
  • Board Composition: 62 % fehlt es an Erfahrung und Kompetenzen für das Krisenmanagement.
  • Leadership: 39 % sehen mangelnde Transparenz und reaktive Kommunikation als Risiko.

Die Effektivität von Boards entscheidet maßgeblich darüber, ob ein Unternehmen Krisen übersteht oder in Turbulenzen untergeht. Leistungsstarke Boards sind nicht nur auf den Ernstfall vorbereitet, sondern gestalten Resilienz aktiv mit – indem sie vorausschauende Governance-Prinzipien etablieren, Risikomanagement als strategisches Instrument begreifen und eine Unternehmenskultur fördern, in der Probleme frühzeitig erkannt und angesprochen werden. Resilienz ist dabei kein Selbstzweck, sondern ein zentraler Treiber der Effektivität von Boards. Unternehmen mit widerstandsfähigen Boards überstehen Krisen nicht nur besser – sie nutzen turbulente Zeiten sogar als strategische Chance. Studien zeigen, dass resiliente Boards schneller auf Marktveränderungen reagieren, Risiken besser antizipieren und nachhaltigere Wachstumsstrategien entwickeln. Die wahre Stärke eines Boards zeigt sich nicht in Zeiten des Erfolgs, sondern in der Fähigkeit, auch unter Druck Höchstleistung zu erbringen.

Krisen als neue Normalität

Krisen sind zur neuen Normalität geworden. Für Aufsichtsräte, CEOs und Vorstände bedeutet das, dass schnelles, entschlossenes Handeln über den Unternehmenserfolg entscheidet. Eine unternehmensbedrohende Krise ist dabei definiert als ein „Ereignis mit geringer Wahrscheinlichkeit, aber hoher Auswirkung, das den Fortbestand der Organisation gefährdet. Solche Situationen sind durch Unsicherheit über Ursachen, Konsequenzen und Lösungsmöglichkeiten geprägt – und erfordern schnelle Entscheidungen“. ¹ Selbst hervorragend geführte Unternehmen sind nicht vor existenziellen Krisen gefeit. Die Ursachen sind vielfältig und lassen sich in drei Hauptkategorien unterteilen:

Strategische Ursachen:

  • Technologische Disruption: Neue Technologien können etablierte Geschäftsmodelle aushebeln.
  • Regulatorische Veränderungen: Wer sich nicht rechtzeitig an neue Gesetze anpasst, riskiert Compliance-Verstöße und hohe Strafzahlungen.
  • Kritische Abhängigkeiten: Eine zu starke Fokussierung auf einzelne Kunden oder Lieferanten führt schnell zu Engpässen, wenn diese wegbrechen.

Operative Ursachen:

  • Interne Konflikte und ineffiziente Prozesse: Unklare Strukturen oder kulturelle Spannungen lähmen strategische Initiativen.
  • Verlust von Schlüsselpersonen: Fehlende Nachfolgeplanung führt zu Wissensverlust und Unsicherheit.
  • Schleichende Risiken: Wer Innovation vernachlässigt oder Marktveränderungen ignoriert, verliert langfristig an Wettbewerbsfähigkeit.

Externe Ursachen:

  • Skandale und Fehlverhalten: Betrug, Korruption oder ethische Verstöße schädigen die Reputation massiv.
  • Plötzliche externe Schocks: Naturkatastrophen, Pandemien oder geopolitische Krisen können den Geschäftsbetrieb abrupt stören.

Nicht alle Krisen verlaufen gleich, doch ihre Dynamik hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert. Boards müssen auf zunehmende Komplexität und Geschwindigkeit reagieren und dabei frühzeitig effektive Risk-Mitigation-Maßnahmen in ihre Entscheidungsprozesse integrieren.

Die Rolle des Aufsichtsrats und Vorstands in Krisensituationen

Krisen gehören zum Geschäftsleben – doch die Häufung und Geschwindigkeit von Risiken nimmt zu. Unternehmen verzeichnen heute durchschnittlich zwei bestätigte Fälle von Fehlverhalten pro Tag² während Strafzahlungen in den USA in den letzten 20 Jahren um mehr als 700 % gestiegen sind.³ Hinzu kommen externe Schocks wie Finanzkrisen, geopolitische Konflikte oder Cyberangriffe. Die Corona-Pandemie hat eindrucksvoll gezeigt, wie schnell ganze Branchen ins Wanken geraten können – beispielsweise die Luftfahrt, deren Geschäft binnen weniger Wochen auf nahezu null fiel. Zugleich machen komplexe Lieferketten und steigende Stakeholder-Erwartungen eine rasche, koordinierte Reaktion schwieriger. Eine Krise kann daher binnen Tagen oder Stunden existenzbedrohend werden.

Proaktive Vorbereitung ist entscheidend. Aufsichtsrat, CEO und Vorstand spielen die Schlüsselrolle: Ihr schnelles und konsequentes Handeln prägt Marke, Reputation und Aktienkurs. Auch hohe Bußgelder oder rechtliche Konsequenzen lassen sich durch ein gut eingespieltes Führungsgremium oft abmildern. Voraussetzungen sind klare Rollen, reibungslose Abläufe und die Bereitschaft, kritische Entscheidungen früh zu treffen.

Resilienz beginnt an der Spitze. Das Board ist verantwortlich für Strategie, Risikomanagement und den „Tone at the Top“, also die kulturelle und ethische Ausrichtung. Studien zeigen, dass die Resilienz des Boards die Krisenfestigkeit des gesamten Unternehmens maßgeblich beeinflusst.⁴ Ob Aufsichtsrat und CEO vorausschauend agieren, mutige Entscheidungen treffen und eine Kultur fördern, in der Risiken schnell erkannt und angesprochen werden, ist entscheidend. Unternehmen, deren Boards regelmäßig strategische Szenarien durchspielen, eng mit dem Senior Management in der Risikobewertung kooperieren und Entscheidungsprozesse laufend verbessern, sind deutlich robuster – oft gehen sie gestärkt aus Krisen hervor. Eine offene Kultur, die konstruktive Kritik und Feedback fördert, erleichtert es, Risiken frühzeitig zu erkennen und Gegenmaßnahmen einzuleiten.

Resiliente Boards schaffen psychologische Sicherheit, indem auch unangenehme Wahrheiten und Worst-Case-Szenarien offengelegt werden. Board-Mitglieder müssen dafür nicht nur fachlich versiert, sondern auch emotional gefestigt sein. Unterschiedliche Perspektiven sollten aktiv einbezogen werden, um nicht in eingefahrenen Denkmustern zu verharren. Gerade in akuten Krisen ist ein enger Austausch zwischen Chair, CEO und dem gesamten Board essenziell. Der Chair moderiert Diskussionen und setzt Standards für Leadership und Governance. Die Balance zwischen strategischer Weitsicht und pragmatischer Anpassung entscheidet, wie handlungsfähig das Board bleibt – und damit, wie widerstandsfähig das Unternehmen ist.

Schlecht bewältigte Krisen hinterlassen zudem langfristige Schäden in den Beziehungen zwischen Aufsichtsrat, Vorstand und Senior Management. Medien, Regulierungsbehörden und andere Stakeholder verstärken den Druck weiter, was leicht zu Schuldzuweisungen und Misstrauen führt. In diesem Klima leiden Effizienz und Entscheidungsqualität. Zusätzlich ist eine Krisensituation emotional belastend: Karrieren stehen auf dem Spiel, was Stress und Unsicherheit erhöht. Oft wird unterschätzt, wie stark diese Faktoren die Leistungsfähigkeit des Unternehmens nach einer Krise beeinträchtigen.

Krisen sind unvermeidlich. Doch wie viele Chairmen und CEOs können mit Fug und Recht sagen, dass ihre Boards auf alle Facetten einer Krise vorbereitet sind? Wir sind überzeugt: Die proaktive Vorbereitung des Boards ist ein zentraler Baustein für den nachhaltigen Erfolg jedes Unternehmens. Indem das Board aktiv Resilienz gestaltet, steigert es nicht nur die Krisenfestigkeit, sondern stärkt auch die langfristige Wettbewerbsfähigkeit.

Von reaktiver zu proaktiver Governance: Zentrale Hebel für ein resilientes Board

Die Herausforderungen für Boards haben sich fundamental verändert. Reaktive Governance reicht nicht mehr aus, denn Unternehmen sehen sich nicht mehr nur mit einzelnen Krisen konfrontiert, sondern mit permanenten Unsicherheiten: geopolitische Spannungen, Cyberrisiken, regulatorische Umbrüche und wirtschaftliche Volatilität fordern ein Umdenken.

Zwar konzentrieren sich viele Boards auf „Crisis Preparedness“, doch Vorbereitung allein genügt nicht. Effektive Board-Führung bedeutet, Krisen nicht nur zu bewältigen, sondern sie als strategische Chancen zu betrachten. Reaktive Boards verwalten Risiken; proaktive Boards gestalten Zukunftssicherheit durch eine effektive Führung des Boards, die Krisensignale früh erkennt und entschlossen handelt.

  • Ein reaktives Board beschäftigt sich mit Krisen erst, wenn sie sich abzeichnen. Entscheidungen werden unter Zeitdruck und mit unvollständigen Informationen getroffen, was Chancen vergibt und Vertrauen bei Investoren und Stakeholdern untergräbt.
  • Ein proaktives Board denkt langfristig, aktualisiert regelmäßig seine Krisenszenarien und stellt sicher, dass das Unternehmen auf unerwartete Disruptionen vorbereitet ist. Es nutzt Resilienz nicht nur zur Risikominimierung, sondern als Wettbewerbsvorteil. Studien zeigen, dass Unternehmen mit strategisch ausgerichteter Board Resilience in volatilen Märkten sogar schneller wachsen als ihre Wettbewerber.⁵

Der Übergang zu einer proaktiven Governance erfordert einen Paradigmenwechsel. Anstatt auf Krisen zu warten, sollten Boards aktiv nach Wegen suchen, die Widerstandsfähigkeit des Unternehmens zu stärken und die Zukunftsfähigkeit sicherzustellen. Globale Risiken wie Pandemien, Cyberangriffe oder geopolitische Spannungen machen umfassendes Risikomanagement und die Fähigkeit zum Umgang mit komplexen Szenarien unverzichtbar. Wer sich rechtzeitig vorbereitet, wird von disruptiven Entwicklungen nicht überrollt, sondern kann die Dynamik sogar für sich nutzen. Chairmen und CEOs müssen diesen Wandel vorantreiben und das Führungsgremium befähigen, die Zukunft aktiv zu gestalten. Dabei sind folgende Hebel von besonderer Bedeutung:

  • Board Development: Kontinuierliche Weiterbildung und Krisensimulationen stärken das Board in herausfordernden Situationen.
  • Board Composition: Eine ausgewogene Zusammensetzung, die verschiedene Kompetenzen und Perspektiven berücksichtigt, fördert ganzheitliche Entscheidungen.
  • Board Evaluation: Regelmäßige externe Performance-Bewertungen helfen, blinde Flecken zu erkennen und die Effektivität zu steigern.
  • Board Excellence: Eine enge, vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Chair und CEO ist essenziell, um Führungsstärke und Unternehmensstrategie wirksam umzusetzen.

Durch den gezielten Einsatz dieser Hebel erhöhen Boards ihre Resilienz und sichern die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens.

Der Wandel von reaktiver zu proaktiver Governance ist keine Option, sondern eine strategische Notwendigkeit – und ein entscheidender Faktor für Höchstleistung im Board. Unternehmen, die diesen Schritt versäumen, riskieren nicht nur hohe Krisenanfälligkeit, sondern auch langfristige Wettbewerbsnachteile. Resilienz entsteht nicht erst in der nächsten Krise – sie beginnt jetzt. Wer frühzeitig Strukturen und Kompetenzen stärkt, kann Risiken besser managen und Chancen gezielt nutzen. Proaktive Vorbereitung ist der Schlüssel zu Stabilität und Erfolg. Damit wird Resilienz zu einem Faktor, der nicht nur Krisen übersteht, sondern langfristig die Effektivität des Boards steigert. Ein leistungsstarkes Board minimiert Risiken und nutzt zugleich Disruptionen als Chance, um das Unternehmen nachhaltig zukunftsfähig zu machen.

Checkliste für Aufsichtsräte und CEOs

Die Fähigkeit eines Boards, langfristig Resilienz und Performance zu sichern, beginnt mit der Bereitschaft zur Selbstreflexion. Diese Checkliste hilft Chairmen und CEOs, potenzielle Schwächen zu identifizieren und gezielt nachzusteuern. Jede „Nein“-Antwort zeigt Handlungsbedarf. In diesen Bereichen sollten gezielt Maßnahmen ergriffen und – wenn nötig – externe Expertise einbezogen werden, um nachhaltige Verbesserungen sicherzustellen.

Board Development

  • Führen wir regelmäßig Simulationen wie Krisensimulationen oder War-Gaming durch und setzen die daraus gewonnenen Erkenntnisse gezielt um?
  • Werden Verhaltensdynamiken und Konfliktlösungsfähigkeiten innerhalb des Boards aktiv trainiert?

Board Composition

  • Haben wir eine Kompetenzmatrix, um Lücken in der Expertise frühzeitig zu identifizieren und zu schließen?
  • Überprüfen wir regelmäßig, ob unser Board die Vielfalt (z. B. Geschlecht, kultureller Hintergrund, Denkstile) widerspiegelt, die für Innovation und Krisenmanagement entscheidend ist?

Board Evaluation

  • Führen wir regelmäßige, externe Evaluierungen der Board-Performance durch?
  • Haben wir aus vergangenen Krisen systematisch Lehren gezogen und in unsere langfristige Strategie integriert?

Board Excellence

  • Sind unsere Entscheidungsprozesse so gestaltet, dass sie in Krisen Agilität und Governance-Standards gleichzeitig gewährleisten?
  • Gibt es einen klaren, kontinuierlichen Informationsfluss zwischen Board, CEO und Senior Management – auch und gerade in Krisensituationen?
  • Sind unsere Kommunikationsstrategien mit Stakeholdern konsistent, transparent und auf Vertrauen ausgerichtet?
  • Fördern wir gezielt eine offene und konstruktive Board-Kultur, um Gruppendenken zu vermeiden?

Autoren

¹ Judith A. Clair and Christine M. Pearson, Reframing Crisis Management, Academy of Management Review, 1998, vol. 23, no. 1, pp. 59-76
² Harvard Business Review
³ Good Jobs First
National Association of Corporate Directors
MIT Sloan Management Review

Publikationen

Flying through the night sky of the space station of satellites and meteors

Wie zukunftsorientierte Aufsichtsräte den Wandel gestalten können

Board Effectiveness und Board Performance
Reflection of businessman on stock exchange information board

Aktivistische Investoren: Strategische Handlungsoptionen für Aufsichtsrat und Vorstand

Board Effectiveness und Board Performance
Boards: Geopolitical Landscape

Wie Ihr Board in einer geopolitisch fragmentierten Welt handlungsfähig bleibt

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Manchester United

Der Manchester United Case: Neue Governance für den Erfolg

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