Investoren erhöhen den Druck: Effektive Governance wird zur Pflicht

Die Zeiten oberflächlicher Corporate Governance sind vorbei. In einem zunehmend komplexen und volatilen Umfeld erwarten institutionelle Investor:innen, aktivistische Fonds und Stimmrechtsberater von börsennotierten Unternehmen eine effektivere Governance: strategischen Weitblick, Transparenz und eine klare Ausrichtung auf die langfristigen Interessen der Stakeholder. Die Botschaft ist klar: Die Effektivität von Aufsichtsräten und Vorständen ist kein weicher Faktor mehr – sie ist ein strategischer Imperativ.

Der Umbau des Boards bei ExxonMobil war für viele ein Weckruf: Schwache Board Performance, insbesondere bei ESG-Themen und Governance-Fragen, kann heute unmittelbare und drastische Konsequenzen haben. Immer mehr Investoren mischen sich aktiv in die Zusammensetzung und Arbeit von Aufsichtsräten und Vorständen ein – mit wachsender Entschlossenheit.

Das zeigt eine aktuelle Studie der Hoover Institution und des Rock Center for Corporate Governance an der Stanford University: Für fast 68 % der institutionellen Investor:innen ist die Leistung des Boards der wichtigste Faktor bei Anlageentscheidungen¹. Dabei geht es längst nicht mehr nur um kurzfristige Finanzkennzahlen – gefragt ist eine starke Aufsicht über ESG-Kriterien, Risikomanagement und nachhaltige Wertschöpfung.
Für börsennotierte Unternehmen ergibt sich daraus eine doppelte Herausforderung: Wie lässt sich ein hochperformantes Board unter intensiver Beobachtung durch Investor:innen führen – und gleichzeitig ein globales, komplexes Geschäft steuern?

Dieser Moment ist aber auch eine Chance. Wer jetzt proaktiv handelt – durch gezielte Veränderungen in der Zusammensetzung des Boards, durch strukturierte Evaluierungs- und Benchmarking-Prozesse, durch gestärkte Aufsichtsstrukturen und einen offenen Dialog mit Investor:innen – positioniert sich für die Zukunft. Es geht nicht nur darum zu reagieren, sondern zu führen.

In diesem Artikel zeigen wir, warum Höchstleistung im Board heute nicht mehr verhandelbar ist, wie Investor:innen die Spielregeln der effektiven Corporate Governance neu definieren – und welche konkreten Schritte Aufsichtsräte und Vorstände jetzt gehen können.

Machtverschiebung im System: Warum Investor:innen den Druck erhöhen

Der Aufstieg des Investor:innen-Aktivismus
Was einst als Randphänomen galt, ist heute ein globaler Faktor von strategischer Bedeutung: Aktivistische Aktionär:innen gestalten nicht nur die Governance-Strukturen, sondern zunehmend auch die Unternehmensstrategie mit. Unterstützt durch große institutionelle Investor:innen und Stimmrechtsberater verschaffen sie ihren Forderungen Gehör – mit wachsender Wirkung auf Aufsichtsräte und Vorstände.

Längst geht es nicht mehr nur um kurzfristige Wertsteigerung. ESG-Themen wie Klimarisiken oder Diversität im Aufsichtsrat stehen ebenso im Fokus wie Fragen der Kapitalallokation oder Strukturreformen. Und: Die Welle ist global. Während Nordamerika und Europa traditionell Zentren des Aktivismus sind, verzeichnet auch Asien einen spürbaren Anstieg entsprechender Kampagnen.

Moderne Aktivist:innen nutzen ein ganzes Instrumentarium – von Stimmrechtskämpfen über Medienkampagnen bis hin zu gezielten Verhandlungen im Hintergrund. Häufige Ziele: Zusammensetzung und Kompetenzprofil des Aufsichtsrats, operative Neuausrichtungen und Governance-Reformen. Der Ton mag mitunter konfrontativ sein, doch viele Investor:innen setzen heute auf konstruktiven Dialog – vorausgesetzt, das Board zeigt strategische Klarheit und Veränderungsbereitschaft. Dieses Konzept des „kollaborativen Aktivismus“ bietet Unternehmen die Chance, Druck in Fortschritt umzuwandeln: durch die Erneuerung von Führungsgremien, mehr Transparenz und den proaktiven Umgang mit berechtigten Anliegen.

Regulatorische Entwicklungen und öffentliche Aufmerksamkeit erleichtern es Aktivist:innen zusätzlich, Unterstützung zu mobilisieren. Prominente Fälle haben die Sensibilität für Governance-Fragen erhöht. Immer mehr Unternehmen führen daher „peace-time reviews“ durch – um Schwachstellen zu identifizieren, bevor sie zum Problem werden. Wer die Zeichen früh erkennt und sich aktiv mit Investor:innen austauscht, kann Risiken in nachhaltige Wettbewerbsvorteile verwandeln. Einen vertieften Blick auf den Umgang mit Aktivist:innen bietet unser Briefing:: „Aktivistische Investoren: Strategische Handlungsoptionen für Aufsichtsrat und Vorstand“.

Wandelnde Erwartungen an den Aufsichtsrat
Mit Blick auf die Saison der Hauptversammlungen 2025 zeigt sich: Die Anforderungen von Investor:innen gehen weit über klassische Finanzkennzahlen hinaus. Vergütungsfragen, Aktionärsrechte, Erneuerungsstrategien für den Aufsichtsrat und robuste Evaluierungsprozesse rücken in den Fokus. Diese Themen spiegeln nicht nur regulatorische Entwicklungen, sondern auch veränderte gesellschaftliche Erwartungen an unternehmerische Verantwortung wider.

Ein klarer Trend: Investor:innen suchen zunehmend den direkten Dialog mit Aufsichtsratsmitgliedern – außerhalb der formalen Abstimmungszyklen. Ziel ist die frühzeitige Vertrauensbildung und strategische Abstimmung über langfristige Wertschöpfung, Risikomanagement und Governance-Prioritäten. Wer sich dem entzieht, riskiert den Verlust zentraler Stakeholder und öffnet Raum für aktivistische Narrative. Besonders relevant: Institutionelle Investor:innen sind zunehmend bereit, sich mit Aktivist:innen zu verbünden – vor allem bei ESG-Mängeln oder Governance-Schwächen.

Damit ist Aktivismus endgültig global geworden. Auch Unternehmen in Europa und Asien sehen sich mit Forderungen nach Abspaltung oder wissenschaftlich fundierten Klimazielen konfrontiert – Themen, die bisher eher in den USA virulent waren. Zugleich entstehen neue Governance-Fragen: Doppelstimmrechte, Loyalitätsprogramme oder rein virtuelle Hauptversammlungen gelten vielen Investor:innen als intransparent und schwer kontrollierbar.

Die Botschaft an Aufsichtsräte und Vorstände ist klar: Die Erwartungen steigen – inhaltlich und strategisch. Eine gute finanzielle Performance reicht nicht mehr aus. Leistungsstarke Boards müssen heute eine klare Governance-Position einnehmen, ESG glaubwürdig steuern und den Dialog mit Investor:innen aktiv gestalten.

Stimmrechtsberater: Einflussreich, aber differenziert
Stimmrechtsberater wie ISS und Glass Lewis haben nach wie vor großen Einfluss auf die Entscheidungsfindung an Generalversammlungen – insbesondere bei umstrittenen Wahlen, Abstimmungen über Vergütungen oder ESG-Initiativen. Doch ihr Gewicht variiert stark – je nach Unternehmensgröße, Eigentümerstruktur und Unabhängigkeit der institutionellen Investor:innen bei der Stimmabgabe.

Bei großen börsennotierten Unternehmen entscheiden oft die „Big Three“ – BlackRock, Vanguard und State Street. Ein aktueller Fall bei Disney zeigt: Obwohl ISS einen abweichenden Kandidaten empfohlen hatte, stimmten alle drei für das Management – und kippten damit das Ergebnis. In kleinen und mittleren Unternehmen ohne dominierende Ankeraktionär:innen wirken die Empfehlungen von ISS und Glass Lewis hingegen oft unmittelbarer – mit teils entscheidender Wirkung.

Trotz des realen Einflusses gilt: Stimmrechtsberater sind nur selten entscheidend. Eine Studie von Rivel Research (2016) zeigt: Nur 7 % der institutionellen Investor:innen betrachten sie als Hauptfaktor für Stimmrechtsentscheidungen – interne Leitlinien und Marktstandards wiegen schwerer. Zu diesem Ergebnis kommt auch eine Studie von McCahery, Sautner und Starks (2015): Berater dienen als Orientierung – nicht als Ersatz für eigene Analysen².

In jüngster Zeit mehren sich die Anzeichen für eine vorsichtigere Haltung: In den USA hat ISS die Berücksichtigung ethnischer und rassischer Vielfalt in seinen Empfehlungen „auf unbestimmte Zeit“ ausgesetzt – eine direkte Reaktion auf politischen Druck. Glass Lewis überarbeitet derzeit seine Kriterien, hat aber noch keine neuen Richtlinien veröffentlicht.

Diese Zurückhaltung zeigt: ESG- und DEI-Projekte werden zunehmend kritisch bewertet – sowohl inhaltlich als auch unter politisch-regulatorischen Vorzeichen. Was früher als reputationsfördernd galt, wird heute differenzierter beurteilt. Dies gilt insbesondere für kleinere Unternehmen, bei denen eine einzige negative Empfehlung heute oft den Ausschlag geben kann – etwa durch die neue Universal Proxy Card, bei der Kandidat:innen des Boards und Opposition auf demselben Stimmzettel stehen. Auch wenn ISS und Glass Lewis mittlerweile differenzierte Ratings anbieten, behalten die großen Asset Manager in enger Abstimmung das letzte Wort.

Implikationen für Aufsichtsräte und Vorstände: Aufsichtsräte und Vorstände müssen das Zusammenspiel zwischen Stimmrechtsberatern und institutionellen Investor:innen verstehen – und frühzeitig in die strategische Abstimmung gehen. Gerade bei fragmentierter Eigentümerstruktur können kleine Veränderungen große Wirkung entfalten. Transparente Governance-Geschichten und aktives Engagement sind wichtiger denn je.

Zunehmende Regulierungsdichte und neue Offenlegungspflichten
Die globale Regulierungslandschaft bringt neue Offenlegungspflichten mit sich – insbesondere zu ESG- und DEI-Themen. Boards stehen vor der Herausforderung, unterschiedliche rechtliche Anforderungen zu erfüllen und gleichzeitig der wachsenden Aufmerksamkeit von Investor:innen und Aufsichtsbehörden gerecht zu werden.

In den USA beispielsweise hat das Staff Legal Bulletin No. 14M⁵ die Hürden für ESG- und gesellschaftliche Anträge erhöht: Sie müssen nun einen klaren Bezug zum Kerngeschäft des Unternehmens aufweisen. Gleichzeitig verschärft die SEC die Anforderungen an die Transparenz bei Großaktionär:innen (Schedule 13D⁶), was manche Investor:innen von ESG-Kampagnen abhält.

In Europa hingegen haben die Shareholder Rights Directives die Berichtspflichten deutlich ausgeweitet⁷: Unternehmen müssen nun offenlegen, wie ESG in die Strategie integriert ist, wie sich die Vergütung des Boards zusammensetzt und welche Kontrollmechanismen es gibt. Europäische Regulatoren gehen oft weiter – sie erwarten, dass ESG- und Diversitätsziele systematisch in die Berichterstattung integriert werden.

Auch in Asien steigt der Druck: In Hongkong etwa sind ESG-Berichte nach internationalen Standards wie den TCFD-Empfehlungen verpflichtend. Auch Länder wie Singapur und Südkorea verschärfen ihre Anforderungen – wenn auch in unterschiedlichem Tempo und mit zum Teil stark divergierenden Ansätzen. Dies erschwert es multinationalen Unternehmen erheblich, einen einheitlichen globalen Berichtsstandard zu etablieren.

Es ergibt sich ein fragmentiertes Bild: In den USA nimmt die Zahl der ESG-Vorschläge ab, während in Europa und Asien die regulatorischen Anforderungen an eine ganzheitliche Berichterstattung steigen – von Klimazielen bis zur variablen Vorstandsvergütung. Gleichzeitig zwingen politische Rückschritte in Sachen DEI Unternehmen dazu, Diversitätskennzahlen zu überdenken oder Anreizsysteme anzupassen. Dennoch gilt: Weltweit fordern Investor:innen ein hohes Maß an Transparenz – über alle Faktoren, die die langfristige Wertschöpfung beeinflussen. Und sie erwarten ein Board, das diesen Erwartungen souverän, unabhängig und kompetent begegnet.

Implikation für Aufsichtsräte und Vorstände: Regelkonformität allein reicht nicht mehr aus. Boards müssen antizipieren, wohin sich die Offenlegungsstandards entwickeln – und die eigene Governance-Erzählung aktiv steuern. Wesentlichkeitsgrenzen verschieben sich – ebenso wie die Definition effektiver Aufsicht in Zeiten politisch aufgeladener ESG-Debatten.

Zentrale Herausforderungen für Aufsichtsrat und Vorstand unter dem Blickwinkel der Investor:innen

Die Erwartungen von Investor:innen entwickeln sich rasant weiter – mit klaren Implikationen: Effektivität von Aufsichtsräten und Vorständen ist kein abstraktes Ziel mehr, sondern eine strategische Notwendigkeit. Nach unserer Erfahrung wird der Unterschied zwischen leistungsfähigen und überforderten Aufsichtsräten am Kapitalmarkt zunehmend sichtbar. Fünf Handlungsfelder stehen dabei besonders im Fokus:

Zusammensetzung & Diversität im Aufsichtsrat:
Kaum ein Thema ist derzeit so sichtbar wie die Forderung nach einem vielfältig besetzten Aufsichtsrat – sowohl in Bezug auf demografische Vielfalt als auch auf fachliche Kompetenzen. Investor:innen erwarten heute Gremien, die nicht nur unterschiedliche berufliche und kulturelle Hintergründe vereinen, sondern auch tiefgreifende Expertise in Bereichen wie digitale Transformation, ESG oder Finanzstrategie mitbringen.

Der Grund ist einfach: Divers zusammengesetzte Aufsichtsräte hinterfragen eher eingefahrene Denkmuster, erkennen Risiken früher – und steuern Unternehmen effektiver durch die Komplexität.
Aus Governance-Sicht ist die Zusammensetzung des Aufsichtsrats längst kein „weiches“ Thema mehr. Stimmrechtsberater wie ISS und Glass Lewis bewerten Diversität und Erneuerungsprozesse inzwischen als Qualitätsindikatoren. Wer hier keine Fortschritte vorweisen kann, riskiert kritische Voten – oder wird direkt zum Ziel aktivistischer Kampagnen.

Strategische Aufsicht & nachhaltige Wertschöpfung
Institutionelle Investor:innen verlangen heute klare Belege dafür, dass der Aufsichtsrat nicht nur die Entscheidungen des Managements abnickt, sondern strategisch mitdenkt – und mitsteuert. Dazu gehört, die richtigen Fragen zu stellen, Annahmen zu hinterfragen und dafür zu sorgen, dass langfristige Wertschöpfung Vorrang vor kurzfristigem Gewinn hat.

Ein aktuelles Beispiel: Bei einem globalen Konsumgüterkonzern griffen Aktivist:innen ein, als das Wachstum stagnierte und Innovationen ausblieben. Ihr Vorwurf: mangelnde strategische Steuerung durch den Aufsichtsrat. Innerhalb weniger Monate wurden mehrere Mitglieder ausgetauscht – gegen Persönlichkeiten mit frischem Blick auf Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Das Ergebnis: ein strategischer Neuanfang mit neuer Marktdynamik.

Solche Fälle zeigen: Wer als Aufsichtsrat keine aktive Rolle in der Strategieentwicklung übernimmt, verliert schnell das Vertrauen der Investor:innen. Leistungsstarke Boards wirken gestaltend – und prüfen kritisch, ob die Unternehmensausrichtung den langfristigen Interessen der Anteilseigner:innen entspricht.

Risikomanagement & Krisenvorsorge Effektive Governance
im Aufsichtsrat und Vorstand zeigt sich auch im Umgang mit Risiken. Ob Cyberattacken, Lieferkettenunterbrechungen, geopolitische Spannungen oder klimabedingte Betriebsunterbrechungen – die Risikolandschaft wird immer unübersichtlicher. Investor:innen erwarten von Aufsichtsrat und Vorstand ein fundiertes Verständnis für diese Bedrohungen – und robuste, vorausschauende Risikostrukturen.
Mehr dazu in unserem Briefing: „Ist Ihr Board ein Katalysator für Resilienz?

Unsere Erfahrung zeigt: Gremien, die über spezifisches Know-how im Risikomanagement verfügen und regelmäßig Krisenszenarien simulieren, sind besser vorbereitet. Wer Risiken dagegen als reine Compliance-Aufgabe betrachtet, wird schnell überrascht – mit potenziell gravierenden Folgen für Reputation und Marktwert. In einem Umfeld ständiger Beobachtung kann schon ein einziger unvorhergesehener Vorfall zu einem nachhaltigen Vertrauensverlust führen.

Vorstandsvergütung & Anreizsysteme
Kaum ein Thema macht die Verantwortung von Aufsichtsräten so greifbar wie die Vergütung des Vorstands. „Say-on-Pay-Abstimmungen sind längst zum direkten Ausdruck von Zustimmung oder Ablehnung geworden – stark beeinflusst durch Stimmrechtsberater. Pakete, die kurzfristige Erfolge belohnen, aber ESG-Fortschritte ignorieren, stoßen zunehmend auf Widerstand.

In der Beratungspraxis von RefineValue beobachten wir, dass vorausschauende Aufsichtsräte Anreizsysteme konsequent an strategische KPIs koppeln – und dabei sowohl finanzielle als auch nicht-finanzielle Ziele einbeziehen. Aktienbasierte Vergütungskomponenten mit langfristiger Bindung spielen dabei eine zentrale Rolle: Sie signalisieren strategische Weitsicht und einen klaren Fokus auf nachhaltige Wertschöpfung. Investor:innen nehmen diese Signale sehr genau wahr – und belohnen sie entsprechend.

Board-Evaluation: Strategisches Instrument oder verpasste Chance?
Board-Evaluationen sind kein Pflichtprogramm mehr – sie sind ein strategischer Hebel. High Performance im Board erfordert heute eine differenzierte Betrachtung: Nicht nur die Gesamtleistung des Gremiums zählt, sondern auch die Effektivität der Ausschüsse und der Beitrag jedes einzelnen Mitglieds.

Wer regelmäßig mit Peer-Benchmarks arbeitet oder externe Evaluationen nutzt – gerade in Transformationsphasen oder unter erhöhtem Druck – gewinnt wertvolle Impulse für die Weiterentwicklung. Im Gegensatz dazu riskieren oberflächliche oder seltene Evaluationen eine Verfestigung von Schwächen – und verlieren das Vertrauen der Investor:innen.

Zunehmend rückt auch der Vorstand in den Fokus. Immer mehr Investor:innen und Governance-Expert:innen fordern strukturierte Evaluierungen des gesamten Vorstands – inklusive individueller Bewertungen der Vorstandsmitglieder und insbesondere des CEO. Dessen strategische Weitsicht, Führungsstärke und Transformationsfähigkeit sind entscheidend für die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens.

Externe Evaluierungen helfen, blinde Flecken aufzudecken, Führungsverhalten zu reflektieren und gezielte Entwicklung zu ermöglichen. Sie fördern eine leistungsorientierte und transparente Führungskultur – und signalisieren dem Kapitalmarkt: Dieses Unternehmen nimmt Governance und Leadership ernst.

In unserem Whitepaper „Wie effektiv ist die Evaluierung Ihres Aufsichtsrats?“ zeigen wir, wie führende Unternehmen heute Boards evaluieren, um strategische Klarheit zu gewinnen, Governance-Strukturen zu stärken – und gezielte Erneuerung anzustoßen. In unserem Whitepaper „CEO Evaluation“ geben wir einen Einblick in aktuelle Trends und Herausforderungen bei der Beurteilung von CEOs und ihrer Performance.

Shareholder Engagement & Strategische Kommunikationslücken

Eine der meist unterschätzten Stellschrauben für die Effektivität von Boards ist der proaktive, kontinuierliche Dialog mit Investor:innen. Noch immer behandeln viele Unternehmen die Hauptversammlung als primäre – und teils einzige – Gelegenheit zur Kommunikation mit Aktionär:innen. Das reicht längst nicht mehr aus.

In einem Umfeld steigender Aufmerksamkeit sind Kommunikationslücken nicht nur verpasste Chancen – sie sind ein strategisches Risiko. Aufsichtsräte und Vorstände, die den Austausch mit Investor:innen vernachlässigen, verlieren schnell die Kontrolle über das Narrativ, schwächen das Vertrauen des Kapitalmarkts und öffnen aktivistischem Druck oder Abstimmungsniederlagen Tür und Tor. Umgekehrt stärken Unternehmen, die Stakeholder-Engagement als strategische Daueraufgabe verstehen, ihre Glaubwürdigkeit – und sichern sich langfristige Handlungsspielräume.

Der strategische Wert aktiver Kommunikation

  • Glaubwürdigkeit stärken: Wer regelmäßig den Dialog mit Investor:innen sucht, baut langfristig Vertrauen auf – entscheidend in Phasen von Unsicherheit oder Kontroversen.
  • Aktivismus vorbeugen: Wer Bedenken frühzeitig erkennt und adressiert, entzieht aktivistischen Kampagnen die Grundlage.
  • Marktwissen nutzen: Der direkte Austausch liefert wertvolle Einblicke in aufkommende Risiken, Marktveränderungen und Stimmungen im Aktionariat.
  • Stabilität erhöhen: Informierte und eingebundene Investor:innen neigen seltener dazu, aktivistischen Forderungen zu folgen oder Board-Empfehlungen abzulehnen.

Diese Vorteile sind nicht theoretisch. Unsere Erfahrung zeigt: Leistungsstarke Boards, die einen strukturierten Austausch mit institutionellen Investor:innen und Stimmrechtsberatern pflegen, sind deutlich resilienter – sei es bei ESG-Kritik, Vergütungsdebatten oder strategischen Kurskorrekturen.

Best Practices für den ganzjährigen Dialog

  • Etablieren Sie kontinuierliche Dialogformate: Gehen Sie über die Proxy Season hinaus. Planen Sie Governance-Roadshows oder direkte Investorengespräche in der „Off-Season“.
  • Gespräche differenzieren: Verstehen Sie die Prioritäten einzelner Investor:innen – ob ESG, Rendite oder Board-Zusammensetzung – und passen Sie Ihre Botschaften gezielt an.
  • Abstimmung zwischen Aufsichtsrat und Vorstand: Sorgen Sie für Kohärenz zwischen Aufsichtsrat und Vorstand – ohne die unabhängige Kontrollfunktion des Gremiums aufzugeben.
  • Feedback ernst nehmen: Gehen Sie Feedback systematisch nach – und zeigen Sie durch konkrete Maßnahmen oder Aussagen, dass das Feedback Wirkung zeigt.
  • Transparenz schaffen: Kommunizieren Sie klar und verständlich. Ein „Board Update“ oder „Governance Report“ kann helfen, Entscheidungslogiken nachvollziehbar zu machen.
    Konkrete Schritte für Aufsichtsrat und Vorstand
  • Wichtige Investor:innen kennen: Erfassen Sie die größten Anteilseigner:innen, analysieren Sie deren Abstimmungsverhalten und identifizieren Sie potenzielle Unterstützer:innen oder Kritiker:innen.
  • Beobachten Sie die Stimmrechtsberater: Beobachten Sie die Richtlinien von ISS und Glass Lewis – und suchen Sie proaktiv das Gespräch, wenn kritische Themen anstehen.
  • Kommunizieren Sie frühzeitig und regelmäßig: Nutzen Sie informelle Check-Ins und Einzelgespräche lange vor der Proxy Season, um Erwartungen frühzeitig abzugleichen.
  • Eigene Kompetenzlücken evaluieren: Nutzen Sie strukturierte Board Assessments, um zu identifizieren, wo beispielsweise digitale oder ESG-Kompetenzen fehlen – und kommunizieren Sie offen, wie diese Lücken geschlossen werden sollen.
  • Wirkungskette transparent machen: Wenn Investor:innen-Feedback zu konkreten Maßnahmen führt – etwa zu einer besseren ESG-Offenlegung oder zur Anpassung der Vergütungspolitik – machen Sie den Entscheidungsprozess sichtbar.

Konkrete Schritte für Aufsichtsrat und Vorstand

  • Wichtige Investor:innen kennen: Erfassen Sie die größten Anteilseigner:innen, analysieren Sie deren Abstimmungsverhalten und identifizieren Sie potenzielle Unterstützer:innen oder Kritiker:innen.
  • Stimmrechtsberater im Blick behalten: Beobachten Sie die Leitlinien von ISS und Glass Lewis – und suchen Sie proaktiv das Gespräch, wenn kritische Themen auf der Agenda stehen.
  • Frühzeitig und regelmäßig kommunizieren: Nutzen Sie informelle Check-ins und Einzelgespräche lange vor der Proxy Season, um Erwartungen frühzeitig abzugleichen.
  • Eigene Kompetenzlücken evaluieren: Nutzen Sie strukturierte Board-Evaluierungen, um festzustellen, wo z. B. digitale oder ESG-Kompetenzen fehlen – und kommunizieren Sie offen, wie diese Lücken geschlossen werden sollen.
  • Transparente Wirkungskette zeigen: Wenn Investor:innen-Feedback zu konkreten Maßnahmen führt – etwa zu besseren ESG-Offenlegungen oder zur Anpassung der Vergütungspolitik – machen Sie den Entscheidungsweg sichtbar.

Wer Shareholder Engagement als festen Bestandteil der Governance etabliert, reduziert nicht nur Risiken – sondern stärkt auch die Gesamtleistung und Glaubwürdigkeit seiner Aufsichtsfunktion. In einem Kapitalmarkt, der von Transparenz, Einflussnahme und zunehmender Erwartungsdynamik geprägt ist, ist effektive Kommunikation kein „Nice-to-have“ – sondern ein strategischer Imperativ.

Corporate Governance unter Druck – und im Wandel

Die Zeiten, in denen Aufsichtsräte im Verborgenen agieren konnten, sind vorbei. Heute stehen Aufsichtsräte und Vorstände im Zentrum eines kapitalmarktorientierten Erwartungssystems, das Transparenz, strategische Weitsicht und effektive Kontrolle einfordert. Die Leistung des Boards ist zu einem zentralen Werttreiber geworden – und zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor.

Investor:innen und Stimmrechtsberater haben ihre Rolle geschärft – und treiben Themen wie ESG, Diversity, Vergütung und Risikomanagement mit wachsender Präzision voran. Wer diese Dynamiken frühzeitig erkennt und die eigene Governance entsprechend weiterentwickelt, verwandelt Druck in Vorsprung. Nicht das Reagieren ist entscheidend – sondern der proaktive Gestaltungswille.

Effektive Board Governance zeigt sich nicht im Krisenmodus, sondern in der Fähigkeit, komplexe Anforderungen vorauszudenken und konsequent umzusetzen. Die notwendige Transformation beginnt im Zentrum der Unternehmensführung: mit einem leistungsstarken, zukunftsfähigen und glaubwürdigen Board.

Quick Wins für Aufsichtsräte und Vorstände

1. Board Performance aktiv evaluieren: Nutzen Sie strukturierte, externe Board Evaluationen – auch für den Vorstand und den CEO – als strategisches Führungsinstrument.

2. Diversity gezielt ausbauen: Ergänzen Sie Ihr Kompetenzprofil im Aufsichtsrat um Expertise in digitalen, ESG- und Transformationsthemen.

3. Risiko- und Krisenkompetenz stärken: Etablieren Sie regelmäßige Szenarioanalysen und überprüfen Sie Ihre Resilienzstrukturen über regulatorische Mindestanforderungen hinaus.

4. Dialog mit Investor:innen institutionalisieren: Führen Sie kontinuierliche Austauschformate ein – und machen Sie konkrete Konsequenzen von Feedback sichtbar.

5. Governance-Narrativ schärfen: Formulieren Sie eine klare und glaubwürdige Botschaft zur Rolle des Boards in Strategie, Aufsicht und Wertschöpfung – und kommunizieren Sie diese aktiv an den Kapitalmarkt.

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